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pixabay.com | herbert2512 | Spreewald

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Umstrittene UBA-Studie: Das falsche Spiel mit dem Lausitzer Wasser

Eine neue Studie des Umweltbundesamts zu den wasserwirtschaftlichen Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz ist kohlelobbyistisch geprägt. Sie ist auch klimawissenschaftlich veraltet und spielt ein falsches Spiel mit der knapper werdenden Ressource Wasser.

Bevor die Spree die Lausitz verlässt und sich in Richtung Berlin aufmacht, durchfließt sie den Spreewald, ein in Europa einzigartiges Binnendelta, eine einmalige Kultur- und Naturlandschaft.

Vor allem ab den 1960er Jahren wurden viele Flussarme des Spreewalds vertieft und begradigt, um sogenannte Sümpfungswässer aus den Braunkohletagebauen der Lausitz abzuleiten. Denn um die Kohle fördern zu können, muss einströmendes Grundwasser abgepumpt und der Tagebau trockengelegt werden.

Die so gewonnenen Sümpfungswässer dienten praktischerweise gleich als Kühlwasser für die enorm durstigen Lausitzer Wärmekraftwerke. Drei Viertel des Kühlwassers gehen dabei als Dampf in die Luft verloren. Strom aus Braunkohle zu erzeugen, bedeutet vor allem, einen gigantischen künstlichen Wasserverbrauch in Gang zu setzen.

Was an Wasser nach der Verstromung übrigbleibt, geht in der Lausitz größtenteils in die Spree zurück. Der Fluss durchquert die ganze Braunkohleregion von Süd nach Nord. In den Spitzenzeiten der Lausitzer Braunkohle landeten pro Sekunde rund 15 Kubikmeter abgepumptes Grundwasser in der Spree – das sind etwa 100 volle Badewannen.

Die Kubikmeter-Angabe stammt aus dem kürzlich veröffentlichten Abschlussbericht über „Wasserwirtschaftliche Folgen des Braunkohleausstiegs in der Lausitz“, herausgegeben vom Umweltbundesamt (UBA).

Schon während der mehrjährigen Erarbeitungszeit der Studie kritisierten Umweltverbände völlig zu Recht, dass der Lausitzer Braunkohleverstromer Leag die Inhalte beeinflusst hat und von den darin empfohlenen Maßnahmen direkt profitiert (Klimareporter° berichtete).

Diese Einschätzung hat sich auch nach der Veröffentlichung des Abschlussberichts nicht geändert, wie unter anderem in einer ausführlichen Begutachtung des Umweltnetzwerks Grüne Liga nachzulesen ist.

Segensreiche Wirkungen der Braunkohle

Wie sehr Kohlelobbyismus die UBA-Studie prägt, zeigt sich auch am Umgang mit der Spree und dem Spreewald. Statt die vollzogene Anpassung des Flusses an die Bedürfnisse des Bergbaus zu thematisieren, unterstellen die Autoren, dass sich Gesellschaft, Wirtschaft und Natur im Spreegebiet auf einen „komfortablen Spreeabfluss“ eingestellt hätten. Das habe zu einer „sukzessiven Anpassung“ der Ökosysteme und der überregionalen Wasserwirtschaft geführt.

Das soll wohl heißen: Dank der segensreichen Wirkungen des Bergbaus konnten Wälder, Moore, Fische und Bewohner großzügig mit Wasser umgehen. Damit werde es nach dem Kohleausstieg vorbei sein, so die Warnung aus der Studie.

Wie schon der Titel andeutet, versuchen die Autoren im Abschlussbericht die wirklichen Verhältnisse umzukehren: Nicht der 150-jährige Braunkohlebergbau soll die Wasserverhältnisse der Lausitz zerstört haben, sondern der aktuelle Kohleausstieg verursache die Probleme.

Am wasserdurstigsten ist dann für die kohlefreundlichen Autoren auch nicht das Füllen der riesigen Tagebaurestlöcher, sondern – man ahnt es schon – der Spreewald.

Dessen Lagunenlandschaft entziehe nämlich in trockenen Sommern der Spree bis zu acht Kubikmeter pro Sekunde, lege den Fluss also gerade in solchen Zeiten praktisch trocken, ist in der Studie zu lesen. Wenn es die Sümpfungswässer nicht mehr gebe, würden für viele Gewässerabschnitte „Anpassungen der Schutz- und Erhaltungsziele“ notwendig, sagen die Autoren voraus.

Während dem Spreewald das Wasser also künftig abgegraben werden soll, sieht die Studie keine Abstriche beim Wasserbedarf für die letzten Tagebaue vor. Wie eh und je sollen die ausgekohlten Mondlandschaften mit riesigen Wasserflächen zugedeckt werden.

Allein die entstehenden und noch geplanten Lausitzer Bergbaufolgeseen des Leag-Konzerns – sie füllen die „Löcher“ der Tagebaue Cottbus-Nord, Jänschwalde, Welzow-Süd, Nochten und Reichwalde – sollen nach jetzigem Stand ein Gesamtvolumen von rund 1.900 Millionen Kubikmetern Wasser haben.

Die Gesamtfläche der neuen Seen soll mehr als 84 Quadratkilometer betragen. Das ist, als würde sich die Lausitz den bayerischen Chiemsee nochmals zulegen – zusätzlich zu den schon bestehenden rund 30 Tagebauseen in Brandenburg und Sachsen.

Luftschlösser aus Wasserstoff

Damit nicht genug. Die Lausitz soll trotz sinkender Wasserverfügbarkeit nach dem Willen der Autoren auch weiterhin auf wasserverbrauchende thermische Kraftwerke setzen, nun unter dem Label Wasserstoff. Auf Seite 188 des Abschlussberichts findet sich dazu eine Beispielrechnung:

„Um die Stromproduktion beispielsweise aus dem Jahr 2020 in den drei Lausitzer Kraftwerken Boxberg, Schwarze Pumpe und Jänschwalde von 35,7 Terawattstunden durch Wasserstoff zu ersetzen, sind 1,07 Millionen Tonnen Wasserstoff erforderlich. Daraus ergibt sich ein Wasserbedarf von rund 15 Millionen Kubikmetern Wasser beziehungsweise circa 0,5 Kubikmetern pro Sekunde.“

Die drei genannten Kraftwerke sind Braunkohleanlagen. Eine Quelle für diese Rechnung gibt die Studie nicht an. Diese Ansätze, um den Wasserbedarf zu ermitteln, seien der Wasserstoffstrategie des Landes Brandenburg entnommen worden, erklärt das Umweltbundesamt auf Nachfrage.

Quelle

Der Bericht wurde von der Redaktion „klimareporter.de“ (Jörg Staude) 2023 verfasst – der Artikel darf nicht ohne Genehmigung (post@klimareporter.de) weiterverbreitet werden! 

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